F*** you, 2020!

Lieblingsleser,

ich habe so lang nicht geschrieben – aber der November war auch ein unfassbar besch… Monat für die ganze Familie Piranha. Meine Kreativität lag in Schutt und Asche.

Völlig unerwartet mussten wir Abschied von unserem Hund Eddie (11) nehmen, nachdem bei ihm ein höchstaggressiver Tumor diagnostiziert worden war. Als wenn der Monat damit nicht schon gelaufen wäre, infizierten sich Tante Hu, der kleine Piranha und ich im Anschluss direkt mit Corona und verbrachten – trotz eines supermilden Verlaufs – 2 Wochen in häuslicher Quarantäne. Ich war absolut bereit auszuwandern, wenn es denn irgendmöglich wäre. Mensch-ärger-Dich-nicht, Monopoly Junior, Kniffel und Sagaland – unsere Quarantäne-Buddies – hätte ich mitgenommen.

In mittelschwerer Frustration renovierte ich die Wohnung, organisierte einen neuen Bodenbelag für Küche und Bad und lies dem Schlafzimmer einen korall-beigen Neuanstrich verpassen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Danach machte ich mich an die Urlaubsplanung für die Zeit nach dem Wahnsinn. Ach, es ist doch alles nicht schön.

Ich vermisse es, einfach mal schwimmen, ins Kino oder essen zu gehen. Ich vermisse es, entspannt Freunde zu treffen und Menschen in den Arm zu nehmen. Ich vermisse meinen Hund. Vor einer Woche hat Tante Hu ihren neuen Job in Berlin angetreten. Sie klebt jetzt Kochboxen zu – ein familiärer Running Gag – aber nein, sie arbeitet bei HelloFresh in der Rechtsabteilung. Das sind die mit den köstlichen Kochboxen, die meine kulinarischen Fähigkeiten von einer 5+ immerhin auf eine 3- befördert haben. Wir führen jetzt eine Wochenendbeziehung. Aber das läuft gut, da wir uns eh den ganzen Tag updaten.

Am Sonntag ist der Tannenbaum bei uns eingezogen. Ich bin nullkommanull in Weihnachtsstimmung, aber der kleine Piranha hatte mich so lang belagert, bis wir den alten Buggy aus dem Keller gehievt hatten und zum Baumstand an der Straßenecke rollerten. Jetzt ziert eine große Nordmanntanne mein tropisch-dekoriertes Heim – der Piranha hat sie bereits mit unseren Keks-Ausstechern behangen. Jippieh!

Der kleine Mann geht mit der ganzen Situation – der Trauer um Eddie, Corona und dem temporären Wegfall seiner Hobbies – auf eine kindlich-pragmatische Weise erstaunlich gut um. Kurzzeitig befürchtete ich juveniles Psychopathentum, aber mir wurde mittlerweile mehrfach versichert, dass das wohl völlig normal ist. Resilienz for the win!

Gewinnen werde ich 2020 sicher nichts mehr. Aber, Ihr Lieben, es kann doch nächstes Jahr einfach nur besser werden. Auf tolle Erlebnisse, große Gefühle und ganz viel Gesundheit.

Es drückt Euch virenfrei

Single City Mama

„Oma kommt gleich wieder runter“

Gestern nachmittag fuhr ich mit dem kleinen Piranha auf den Niendorfer Friedhof, um meiner Mutter schöne Frühlingsblumen ans Grab zu bringen. Meine Mutter ist 2011 verstorben, 2 1/2 Jahre bevor der kleine Piranha das Licht der Welt erblickte, aber sie ist auch heute noch ein fester Bestandteil unseres Lebens und Alltags.

In unserer Wohnung stehen viele Bilder, der kleine Piranha „erkennt“ Oma sofort und auch von der Aussage „Oma ist im Himmel und passt auf uns auf“ hat er seine ganz eigene Vorstellung. „Oma Blumen bringen“ tönt es regelmäßig, wenn wir mit dem Piranha-Mobil einen Floristen passieren. Als wir gestern am Grab standen schaute er in den Himmel und sagte „Oma kommt gleich wieder runter“ mit einer solchen Natürlichkeit im Tonfall, dass ich mich fragte, welches Konzept der kleine Piranha wohl vom Himmel und Tod hat.

cherry flowers

In der Erinnerung liegt die Liebe… (Bild: Fotolia)

Denn obwohl er meine Mutter nie gesehen hat oder sie ihn im Arm halten konnte, redet er mit einer Selbstverständlichkeit von ihr, als würde er seinen Kita-Alltag berichten.

Für mich selbst war mein Opa, der Vater meiner Mutter, der 13 Jahre vor meiner Geburt starb als meine Mutter noch ein Teenager war, eine Art graue Eminenz, der mir nie wirklich lebendig erschien. Die Bilder von Opa zeigten einen großen, schlanken Mann in Uniform, der wenig lächelte. Viel über ihn gesprochen wurde allerdings nicht – vermutlich einfach aus dem Grund, dass es schon so lange her war. Meine Oma war eine Powerfrau, die ihr Leben auch allein bemerkenswert meisterte.

Ich wünsche mir, dass der kleine Piranha ein bunteres Bild von seiner Oma bekommt und ein Gefühl für die Ausstrahlung, den Intellekt, die Coolness und das warmherzige Wesen, das meine Mutter ausgezeichnet hat. Meine Schwester ist unserer Mutter in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich und der Piranha liebt seine Tante Hu abgöttisch. Ich bin unendlich dankbar für „Baba-Opa“, der seiner Rolle mehr als gerecht wird und immer für uns da ist. Und für unsere Leihomi Claudia und ihren Mann „Opa Jürgen“, die den kleinen Piranha aus einer freundschaftlichen, großelterlichen Perspektive mit erziehen.

Auch wenn der Tod in der Gesellschaft vielfach tabuisiert wird, gehört er bei uns dazu. Meine Mutter ist weiterhin ein Teil von uns – ein Schutzengel, der auf uns aufpasst. Mit einem staubtrockenen Humor anstelle von kitschigen Flügeln und ihrer ganz besonderen Art, die in uns weiterlebt, in ihren Töchtern und ihrem Enkel.“Baba-Opa“ bespricht regelmäßig die Lottozahlen mit ihr, auch wenn meine Mutter den Jackpot bis dato noch nicht geknackt hat.

In ihrer Todesanzeige haben wir bewusst den Spruch „… erzählt lieber von mir und traut Euch auch zu lachen“gewählt, weil es genau das ist, was ein vergangenes Leben würdigt. Erzählen, lachen, weinen, ohne Idealisierungen oder falsche Pietät.

Oma kommt nicht wieder runter, kleiner Piranha, weil sie immer bei uns ist.

Eure Single City Mama

Bär über Bord

„You’re gonna miss me when I’m gone…“

Nichts ist für kleine Kinder schwerer zu verschmerzen als Verlust – besonders wenn es sich beim Objekt der Abwesenheit um ein zotteliges Plüschtier mit wohlig-warmen, kindlichem Eigengeruch handelt. Als der kleine Piranha 3 Wochen alt war, brachte sein Vater Willi in unser Leben.

Willi ist (war) ein wuscheliger Bär mit einer roten Schleife, der schon nach wenigen Monaten aussah wie ein Relikt aus Großmutters‘ Tagen und spätestens mit angenagten Augen den Charme eines Motten-Gala-Diners versprühte. Doch der kleine Piranha liebte Willi heiß und innig und so manche Nacht musste ich den Bären von seinem kleinen Gesicht ziehen aus Angst, dass das Tier seinem Besitzer die Luft nehmen würde.

Willi

Bär über Bord

Leider verabschiedete sich Willi still und leise an einem Donnerstag im Spätoktober, einen Tag vor Halloween, als der kleine Piranha mit einem Bekannten eine Runde um den Block drehte und Willi dabei – ebenso vorsätzlich wie unbemerkt – über Bord ging.

Mehrfaches Umkrempeln der Wohnung (wer meine Wohnung kennt, weiß, dass das einer Zwangsräumung gleicht), unzählige Nachfragen im städtischen Fundbüro und Aushänge rund um unser elegantes Habitat halfen nix – Willi blieb verschollen. Ob er ein neues Heim bei einer skrupellosen Harvestehuder Adoptivfamilie gefunden hat oder im Zuge der Post-Halloween-Aufräumarbeiten der städtischen Müllpresse zum Opfer fiel, konnte bis zum heutigen Tag nicht geklärt werden.

Wesentlich schlimmer als den kleinen Piranha, der mit seinen 16 Monaten glücklicherweise die Dimensionen des Verlustes noch nicht so recht umriss, traf mich die Trauer, für die ich mich ehrlich schämte. Es gibt schließlich viel schlimmeres Leid auf der Welt als der Verlust eines Stofftieres, auch wenn Willi durch die überschaubare Größe unserer „zwei Mann und ein Bär“-Kleinstfamilie ein fester Bestandteil letzterer war.

Zum Glück war Willi ob seiner DNA ein Mainstream-Bär und so hatten uns meine Freundinnen in weiser, wenngleich makabrer Voraussicht, zum 1. Geburtstag des Piranhas „Werner“ überreicht – Willis genetischen Zwilling – für den „Fall der Fälle“.

Life-Hack #1: Bärenbande

Werner wurde schnell in das Piranha’sche Kleinkindherz integriert und „Bär“ war eines der ersten Worte, die Ole äußerte – und es bis heute unzählige Male am Tag mit unterschiedlichen Verzweiflungsgraden in seinem kleinen Stimmchen tut. „Bär“ ist einer von uns und wir hüten Willis verlorenen Bruder wie unseren Augapfel – ich mag mir nicht vorstellen, wie ein mittlerweile wesentlich reflektierterer Piranha einen erneuten Verlust verarb(ääää)rten würde…

Die Moral von der Geschicht‘: Haltet immer einen Ersatzbären bereit!

Eure Single City Bär Mama