Von der Angst zur Achtsamkeit

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Lieblingsmamas,

ich hoffe, Ihr seid gut in den Herbst gekommen und friert Euch nicht genauso einen weg wie ich!

Da ich trotz guter Polsterung regelmäßig eine echte Frostbeule bin, habe ich mittlerweile den Wintermantel aus dem Schrank geholt und laufe mit Schal und Jacke mumifiziert durch den goldenen Oktober – der tatsächlich sehr, sehr schön ist!

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Bastelstunde: Von rechts – Tante Hu, Beagle Eddie, der kleine Piranha, Baba-Opa und ich… unverkennbar 😉 (Bild: Single City Mama)

Die letzten Tage waren schön und ereignisreich. Wir haben viel gebastelt (diese zauberschönen Kastanienmännchen zum Beispiel und Holzboote, die wir in „Der Werkzeugkiste“ in Altona geschreinert haben).

Ich faste seit 2 Wochen (auch das trägt nicht gerade zur Wärmespeicherung meines Körpers bei), da ich die letzten Monate durch Stress und fiese Gewohnheiten einfach viel zu viel Zucker zu mir genommen hatte. Neben einigen Pfunden machte mich das vor allem schlapp und ziemlich lustlos, was mich vielmehr frustete als die beiden Kleidergrößen, die mich die Herren Ben und Jerry kosteten. Meh!

Ein Reset musste her und da ist er jetzt – der weitestgehende Verzicht auf Zucker und die 12-wöchige strenge Eiweißdiät, der einige Monate ausgewogener Ernährungsaufbau folgen. Ich mache das ganze wieder in einer Gruppe und nachdem es vor der Schwangerschaft für mich bereits sehr gut funktioniert hat, bin ich guter Dinge.

„Damals“, vor 6 Jahren, war die Ernährungsumstellung und die damit einhergehende Vitalisierung meines Körpers und Kleiderschrankes ein absolutes Highlight, das ich in vollen Zügen auskostete. Ich bekam sehr viele Komplimente für mein äußeres „Leuchten“ und hatte richtig Spaß am Planen meiner Mahlzeiten – und am shoppen.

Was ich damals nicht bedacht hatte: Von nichts kommt nichts. Und so lagen meinen „Pölsterchen“ natürlich nicht nur ein gesunder Appetit zu Grunde, sondern ernsthafte, sehr problematische Verdrängungs- und Bewältigungsmechanismen.

Mir fiel es zum Beispiel sehr schwer, Gefühle wahrzunehmen und einzuordnen bzw. mich gar mit ihnen auseinanderzusetzen (insbesondere die Trauer nach dem Tod meiner Mutter). Unbewusst hatte ich jahrzehntelang sehr viel mit Essen kompensiert, und war auch gar nicht unglücklich darüber, da es als Bewältigungsmechanismus für mich sehr gut funktionierte. Den Rest regelte die Verdrängung.

Als „Belohnung“ hatte ich zwar nach meinem Fastenprogramm eine tolle Figur und fühlte mich sehr wohl, aber der Wegfall von Nahrungsmitteln als „Gefühlsregulator“ führte dazu, dass mir mein weitestgehend ignoriertes Seelenleben mit Lichtgeschwindigkeit um die Ohren flog.

Gefühlt von heute auf morgen entwickelte ich Ängste, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ich bin eigentlich ein fröhlicher, optimistischer Mensch, den relativ wenig erschüttern kann. Mein Unterbewusstsein sah das allerdings irgendwie anders und strafte meine emotionale Selbstvernachlässigung 2016 mit heftigen Panikattacken ab.

Mein Blutdruck stieg rapide an, mir wurde schwindelig und ich glaubte, jede Sekunde umzukippen. Die Angst, vor diesem Umkippen und vor der Panik als solcher, manifestierte sich in einem klassischen, fast permantenten „Angstschwindel“ und meine Gedanken kreisten fast ausschließlich um diesen Gedanken: „Gleich bist Du weg“.

Wer diesen Blog schon länger verfolgt weiß, dass ich damals nicht den Kopf in den Sand steckte. Der Piranha war gerade zwei Jahre alt, ich war alleinerziehend seit ich „alleine“ schwanger war und dementsprechend konnte ich gar nicht ausfallen oder mich irgendwie länger dem Alltag entziehen.

Nach zwei kurzen Krankenhausaufenthalten, während derer organische Ursachen ausgeschlossen wurden und eine Neurologin mir eröffnete, dass ich wohl an einer Angststörung litt (die Existenz letzterer war mir damals nicht mal bewusst gewesen!), begab ich mich in Therapie und begann mein Leben systematisch umzukrempeln.

Dabei war das Thema Figur erstmal nachrangig, sondern ich musste seelisch auf die Füße kommen, achtsamer leben, Stress reduzieren und auf meine Bedürfnisse hören und sie achten. Dazu gehörte es auch, ungesunde Freundschaften und Beziehungen zu kappen. Ihr kennt sie alle: Die so genannten „Toxic Friendships“, die Dich irgendwie mehr runterziehen, als dass sie Dir gut tun.

Auch medikamentös holte ich mir Hilfe, da der Leidensdruck alleinerziehend, arbeitend und mit der ständigen Angst im Nacken, jede Sekunde tot umzufallen, für mich nicht machbar war. Für nicht-Betroffene ist das verständlicherweise kaum nachvollziehbar, aber diese Zeit kam einem emotionalen Supergau gleich.

Zum Glück hatte ich ein sehr verständnisvolles Umfeld, eine Familie, die mich nach Kräften unterstützte, einen tollen Chef und kam vergleichsweise schnell wieder auf die Beine. Zwei Jahre später geht es mir wieder sehr gut und ich kann ehrlich sagen, dass ich wesentlich bewusster und achtsamer lebe. Die Panikattacken sind völlig weg, aber ich spüre relativ schnell, wenn ich an meine Grenzen komme.

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Wiebi-Zeit: Am Samstag sah ich mir mit einer Freundin das Musical „Mary Poppins“ am anderen Elbufer an. (Bild: Single City Mama)

Ich bin von Anfang an sehr offen mit der ganzen Thematik umgegangen und war erstaunt, wie viele Freunde und Bekannte sich wiederum mir gegenüber geöffnet haben, dass sie ähnliches erleben oder erlebt haben.

Heute ist das Thema Ernährung entsprechend für mich prioritär etwas anders gelagert. Klar freue ich mich, wenn meine schönen bunten Trenchcoats und Kleider bald wieder passen. Aber neben meiner langfristigen Gesundheit und Figur ist meine Hauptmotivation tatsächlich, für den kleinen Piranha ein einigermaßen gutes Vorbild in Sachen Ernährung und Gefühlsverarbeitung zu sein. Was bei mir schon in früher Kindheit diesbezüglich schief gelaufen ist, soll sich bei ihm nicht wiederholen.

Auch für mich selbst wird es eine lebenslange Aufgabe sein, nicht in alte Muster zu fallen und mein eigenes Wissen anzuwenden. Es ist manchmal so verdammt einfach, Gefühle und Bedürfnisse zu verdrängen, sie wegzuessen oder sich stattdessen in die Arbeit zu stürzen. Viele von Euch kennen das bestimmt in der einen oder anderen Weise. Beliebte „Verdränger“ sind neben Zucker auch Alkohol oder Arbeit.

Ansonsten versuche ich den Herbst mit meinem kleinen Piranha abwechslungsreich und bewusst zu erleben. Wir planen regelmäßig Aktivitäten (Basteln in der Holzwerkstatt, Äpfel ernten im Alten Land etc.) und ich genieße das Mamasein.

Ich hoffe dem ein oder anderen helfen diese sehr tiefen Einblicke und zeigen Euch, dass Ihr mit vielem nicht allein seid. Ein Universalrezept gibt es leider wie so oft nicht, aber wer sich Hilfe holt, ist oft schon ein großes Stück weiter. Es lohnt sich – und Ihr werdet mit einem Quantensprung an Lebensqualität am anderen Ende belohnt.

Liebste Grüße von

Eurer Single City Mama