Das Coming-of-Age der Schildkröte Fips

Lieblingsmamas,

Bücher sind etwas so Schönes! Fanden auch meine Eltern und haben endlos viele davon angeschafft. In unserem Elternhaus türmen sich hunderte von Hard- und Softcovern… und GEO Zeitschriften… und Merians (…)  noch und nöcher, und meine Schwester (Tante Hu) und ich versuchen dem gerade im Zuge der Haushaltsauflösung irgendwie Herr zu werden – ohne alles einfach in die Tonne zu kloppen.

Denn das wäre so schade – und ich lese eigentlich selbst total gern. Auch ein Grund für den Literatur-Schwerpunkt meines Studiums. Spätestens seit der kleine Piranha zugegen ist, lese ich zwar viel weniger als früher und bemühe zum Entspannen lieber die Streamingdienste dieser Welt – aber wenn ich es tue und der Roman gut ist, freue ich mich jedesmal.

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„You should go and love yourself“ – finden nicht nur Justin Bieber, sondern auch das bezaubernde Schildkröten-Mädchen Fips… (Bilder: Single City Mama, Fotografien des Buches von Simone Gruber/Illustrationen von Jacqueline Kauer)

Auch der kleine Piranha verfügt schon über eine stattliche Sammlung, zum Teil gespickt mit Klassikern aus unserer Kindheit wie „Die Mäuse im Schuh“, „Der Maulwurf Grabowski“ oder „Nimm mich mit, Frau Vogelnase“. Kennt die noch jemand? Ersteres hatte ich selber noch erinnert und vor zwei Jahren mal überteuert in einem Online-Shop erworben und letztere tauchten erst kürzlich beim Ausmisten des Dachbodens unserer Eltern wieder auf. Hach. Der Dachboden… anderes Thema!

Ab und zu bekomme ich Anfragen von Autoren oder Verlagen, ob ich Lust habe, auf dem Blog etwas vorzustellen. Nicht immer passt es, aber gerade bei Kinderbüchern bin ich selbst oft neugierig.

Erst kürzlich war ich mit der lieben Journalistin Simone Gruber wegen eines anderen Themas in Kontakt, als sie mich auf ihr neues Buch „Fips will keine Schildkröte mehr sein“ aufmerksam machte.

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Das Buch misst ca. 25 x 25 cm und lässt sich auch prima verschenken…

Nach dem Urlaub trudelte ein bezauberndes Exemplar (mit Bastelbogen!) bei uns ein, und es ist wirklich ganz, ganz niedlich – oder wie ich gerne sage „puschig“. Jeder, der mich persönlich kennt, weiß, dass ich dieses Wort sehr häufig benutze.

Der Plot: Das kleine Schildkröten-Mädchen Fips ist so ganz und gar nicht zufrieden mit ihrem Schildkröten-Dasein und tauscht mit vielen Tieren körperliche Merkmale (dabei kommen so zauberhafte Wortschöpfungen wie Flügelkröte und Fellpapagei bei raus) bis sie am Ende – Spoiler-Alert – feststellt, dass es eigentlich ziemlich cool (und nützlich!) ist, eine zu sein.

In Zeiten des Insta-Life-Turbofilter-Selbstoptimierungswahnsinns ist das in meinen Augen eine ganz wichtige Botschaft, die man seinem Kind guten Gewissens mit ins Leben geben kann.

Der kleine Piranha mag die Geschichte von Fips sehr und lässt es sich momentan jeden Abend vorlesen. Unser Prädikat lautet also (Ihr könnt es Euch denken!): Absolut lesenswert!

Liebste Grüße von den Piranhas

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Eine Frage des Wertes

Kaum ein Thema wird in unserer Gesellschaft so tabuisiert wie die berühmte „W“-Frage. Nein, nicht „Was gibt es Morgen zum Mittag, Mama?“, zahndezimiert grinsend und mit klebrigen Händchen gestikulierend gepiepst. Viel philosophischer und definitiv nachhaltiger ist es die Frage: „Was bin ich wert?“

Schon in der frühen Kindheit lernen wir: Über Gehalt spricht man nicht und wer eckig ist, ist unbequem. Doch kann es sich nicht manchmal lohnen, unbequem zu sein? Wo führt ein Übermaß an Demut, einhergehend mit einem schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl, denn eigentlich hin? Vielleicht über Los – aber vermutlich ohne 4000 Euro.

Lichtgestalten und Antiplimente

Ich habe das Gefühl, in jedem Freundeskreis gibt es Menschen, denen wir gern den symbolischen Tritt den in Hintern verpassen würden. Jene Lichtgestalten, die eigentlich eher im Schatten stehen und unter dem Scheffel kleben, als dass sie sich ihrer eigenen (inneren) Größe, Schönheit und Fähigkeiten überhaupt bewusst sind. Meistens sind das unheimlich liebenswerte Menschen, die mangels Konfliktfreudigkeit verboten oft Opfer freundschaftlich-kollegial getarnter, manipulativer Machenschaften werden „Könntest Du nicht…?“. „Du machst ja immer…“ . „Toll, dass Du so nett bist“ – letzteres ist ein Satz, den ich in meiner Jugend und Studienzeit selbst sehr oft gehört habe, und mich immer tierisch freute… bis mir irgendwann bewusst wurde, dass die leicht spöttische Intonation der Frage andeutete, dass es sich hier um vieles handelte, aber nicht um ein Kompliment – ein Antipliment? Verdammt, das waren doch meine Freunde, die das sagten.

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Trinkgeld im Sommerschlussverkauf

Als ich ein mal mit meiner Mutter – der mit Abstand intelligentesten, toughsten und souveränsten Frau, die ich je erlebt habe – gesprochen habe und ihr sagte, dass mich diese Thematik belastete (vor allem, da ich damals nicht die geringste Ahnung hatte, wie ich es anders machen könnte), schaute sie mich entgeistert an und riet mir, zu bleiben wie ich bin. Die Menschen mögen nette Menschen und wollen keine Miesepeter, argumentierte sie. Doch was mich damals schon piekste und einen gewissen Trotz hervorrief, war die Tatsache, dass es überhaupt darum ging, was die Menschen vermeintlich „wollen“. Mainstream calling?!? Und doch: die Argumentation meiner Mutter spiegelte in vielerlei Hinsicht ihre eigene Erziehung und die weiter Teile der Gesellschaft wider. Das Dilemma: Wer soll unseren Wert eigentlich erkennen und schätzen, wenn nicht wir selbst? Der Logik nach wäre das doch wie Trinkgeld im Sommerschlussverkauf… Eigentlich ziemlich „beschappert“, wie meine Mutter immer gern sagte.

X versus Y

Es wäre schlimm, an dieser Stelle ein klassisches Gender-Klischee zu bedienen und meiner völlig subjektiven „Küch. Psych“-Erfahrung nach, sind es mindestens genauso oft Männer, die sich in selbstunsicheren Denk- und Verhaltensmustern befinden, wie Frauen.

Dennoch: Gesamtgesellschaftlich betrachtet werden wir Frauen – vieler öffentlicher Debatten zum Trotz – in den meisten Branchen immer noch schlechter bezahlt. Die Erwartungen in punkto Empathie, Fürsorge und Bescheidenheit scheinen hingegen leider allzu oft wesentlich höher zu sein, ganz zu schweigen von der Akrobatik (Kerze ohne Warm-Up), die wir im täglichen Spagat zwischen Kind und Karriere an den Tag legen müssen – zwei sich überschneidende Kreisen, in deren überschaubarer Schnittmenge wir uns im besten Falle irgendwo selbst finden. Fällt es uns schwerer, Grenzen zu setzen?

Und wie viele Menschen scheinen in unglücklichen Partnerschaften regelrecht zu verharren, mit Menschen, die eigentlich gar nicht zu ihnen passen, weil der demütige Teil ihres (Unter-)bewusstseins sagt: Der/die ist, was ich verdiene, denn er/sie spiegelt meinen Wert.

Von Posern und Idolen

Natürlich gibt es sie überall: Vermeintlich skrupellose Arschlöcher, die zwar dem trügerischen Schein nach das dickste Bankkonto, die steilste Karriere und den „Creme de la Norm“-Partner an ihrer Seite wissen , aber gefühlt ziemlich egomanische und unbequeme Zeitgenossen sind.

Und doch gibt es auch immer Menschen in unserem Umfeld, die wir schätzen und bewundern, weil sie Ecken und Kanten haben und ihren Wert – und damit gleichzeitig ihre Grenzen – souverän und respektvoll argumentieren und verteidigen können.Menschen, die wir mögen und schätzen und uns neidlos denken: Davon hätte ich gerne eine Scheibe für mich.

Ein Wert-Radar für mein Kind

Ehrlich gesagt wünsche ich mir genau das für den kleinen Piranha: Ein liebes, mitfühlendes Herz, einen feinen Sinn für Humor und gleichzeitig die innere Stärke, die es braucht, im Zweifel auch mal die Flossen eckig zu machen, Grenzen zu setzen und gegen den Strom zu schwimmen. Dass er sich seines eigenen Wertes bewusst und ihn verteidigt – sei es bei der Wahl der passenden Piranharin oder einer Gehaltsverhandlung im Job.

Liebe Grüße,

Eure Single City Mama