Zähne zeigen: Vom Google-Orakel und Aggro-Omis

Wir sind wieder zuhause!

Der Alltag hat uns wieder! Statt Alpen-Panorama schaue ich aus dem Fenster auf unseren leicht verwilderten Garten, in dem jede Sekunde ein liebeskranker Nick Cave seiner „wilden Rose“ Kylie Minogue eins überzimmern könnte – Tante Hu und ich wollen den nächste Woche unbedingt vertikutieren. Den Rasen, nicht den Nick.

Und statt eines täglich wechselnden bunten Themen-Buffetts lockt der heimische Kühlschrank mit abgelaufener Bärchenwurst, die ich der Vernichtung zuführen musste.

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Den Kampf gegen die Mecker-Omis pack ich doch mit links…oder? (Bild: Fotolia)

Auch von meiner Langzeit-On-and-Off-Liebe Nutella habe ich mich eben theatralisch wieder verabschiedet („es liegt nicht an Dir, Du cremiges Glück!“), nachdem ich mich dabei ertappte, wie ich gedankenverloren mit Oles langem Breilöffel den Glasinhalt in meinen Mund löffelte. So landete das noch viertelvolle Glas (Optimistin im Herzen!) postwendend in der Tüte mit den Stinkewindeln (für eine Freundschaft war es einfach noch zu früh!) – hab ich doch aller guten Vorsätze und täglicher Schwimmsessions zum Trotz im Urlaub zwei Kilo (na gut – fast drei) zugenommen. Aber ich muss ehrlich sagen: sie waren es sowas von wert! Das Essen war fantastisch.

Apropos wert: Eine Lektion der (Selbst-) Wertschätzung erteilte mir gestern die gefühlte Erdumrundung München-Hamburg mit der Deutschen Bahn. Nachdem Baba-Opa sich natürlich aus rein logistischen Gründen einen (!) Platz im Großraumabteil in Wagen drei klar gemacht hatte, ließen der kleine Piranha und ich uns wie gewohnt im Kleinkindabteil des Wagen 9 nieder. Der kleine Piranha langweilte sich trotz Gesellschaft des gleichaltrigen „Raffi“ schnell und so begannen wir nach etwa zwei Stunden unseren Spaziergang durch den Zug. „Hallo“ schmetterte der kleine Piranha im Stakkato den anderen Zuggästen entgegen, was 99,9 Prozent der Mitreisenden mit einem gerührten „ach was ist der süß!“ kommentierten, freundlich zurück grüßten und Kekspackungen zückten.

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Als wir Wagen 3, in dem Baba-Opa mit einer sechsköpfigen Damengruppe aus Hannover saß und schäkerte, erreichten, mischte der Piranha sich schnell fröhlich in das Kniffel-Spiel der Damen. Die netten Frauen, die selbst mehrfache Großmütter waren, waren verzückt und integrierten den kleinem Mann sofort. Er durfte würfeln und freute sich sehr – die Stimmung war heiter und ausgelassen. Bis es aus den hinteren Reihen zischte…

„Unmöglich!“ hörte ich, und es dauerte ehrlich gesagt eine Weile, bis ich realisierte, dass es um mein Kind ging. „Das hier ist ein Ruhebereich und dann so ein lautes Kind! Da muss man sich unbedingt beschweren, man kann hier in Ruhe keine Zeitschrift mehr lesen. Und die Mutter unternimmt nichts – sitzt nur da und grinst“. Ich war fassungslos.

Normalerweise bin ich weiß Gott nicht auf den Mund gefallen, aber da ich nicht genau wusste, woher die Tirade kam, blickte ich nur bitterböse in die Richtung und sagte „Sie wissen schon, dass es sich hier um einen 2-jährigen Jungen handelt? Damit müssen sie klar kommen“. Die Alten sagten nichts und starrten nur vor sich hin, vielleicht aus Angst, dass „Mama Grinsekatze“ handgreiflich werden könnte. Eine Viertelstunde später zuckelten der kleine Piranha und ich wieder in unser Kinderabteil und wütend berichtete ich Raffis Eltern, was mir passiert war. Gemeinsam schimpften wir auf die verbiesterten Weiber und mir ging es bald wieder besser. Andererseits ärgerte ich mich etwas, dass ich nicht noch deutlicher für das Recht des kleinen Piranhas, sich im Zug (ja, auch im Ruhebereich) zu artikulieren und Kind sein zu dürfen, eingetreten war. Ich dachte an meine Freundin Susann, die in ähnlichen Situationen schon sehr viel deutlichere Worte gefunden hat.

Ab und zu Zähne zu zeigen und angemessen auf Provokation und Ungerechtigkeit zu reagieren, hat auch viel mit Selbstwert zu tun. Und obwohl ich in den meisten Bereichen des Lebens eine absolut selbstbewusste Frau bin und es mir an Worten sehr selten mangelt, wünschte ich mir manchmal etwas mehr Toughness (gibt es dieses Wort?):

Dass ich einfach sage, was ich denke, ohne es zu überdenken. Dass ich meinen kleinen Piranha wortgewaltiger verteidige, wenn ich ihn oder uns ungerecht behandelt empfinde. Und ja, auch dass ich nach einem schönen Date statt „[Das jeweilige Verhalten des Mannes] + Mag er mich?“ zu googeln (!) und zu hoffen, dass die Liebes- und Lebenserfahrung von m46 oder lovemaster78 die Erleuchtung bringt, einfach sage, was ich denke und fühle, und dadurch selbst ganz schnell heraus finde, ob „er“ mich mag oder eben nicht. Einfach öfter tun statt denken, Kante zeigen und anecken und im Zweifel mal was riskieren.

What have you gotta lose?

Das Thema hatte ich auch beim Cocktails trinken mit meiner Freundin Tina am Abend zuvor. Das Leben ist so kurz, man hat so wenig zu verlieren – wir sollten einfach viel öfter sagen, was wir wirklich denken, statt uns zu ärgern – über verpasste Chancen, das Verhalten anderer Menschen, und, und, und.

Vielleicht bekommen wir trotzdem nicht immer, was wir wollen – aber es geht uns einfach viel, viel besser.

Einen schönen Sonntag noch Euch allen!

Eure Single City Mama

Mama mit Kante

Momentan ertappe ich mich oft dabei, wie ich versuche, meinen Ängsten etwas Positives abzugewinnen. Was mir in etwa so leicht fällt, wie einen Magen-Darm-Virus des Piranhas als heiteres Töpfchen-Schlagen zu zelebrieren. „Ich will, das alles so ist, wie vorher“ klage ich meiner Schwester regelmäßig mein Leid. Aber will ich das wirklich?

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Mama on Fire: Nur wer mal brennt, kommt weiter… (Bild: rbadowski/Fotolia)

Soviel ist sicher: Irgendetwas scheint in meinem Leben grundsätzlich nicht besonders gut funktioniert zu haben, sonst wäre es nicht soweit gekommen. Aber mir ging es doch nicht schlecht, überlege ich. Klar habe ich einiges an Ärger in mich rein gefressen, wörtlich und symbolisch, und einen guten Draht zu meinen Gefühlen habe ich auch nicht. Aber das bin ich. Das war immer so. Dafür bin ich frei und stark und von niemandem abhängig, denke ich – das ist doch auch etwas wert.

Schließlich lief die Sache doch irgendwie immer rund. Zu rund vielleicht. „Du bist zu nett“, sagen meine Freunde und erst langsam dämmert mir, was sie meinen. „Oft weiß ich gar nicht, was Du wirklich denkst“, sagte mir neulich ein Kumpel und irgendwie fühlte sich das komisch an. „Da bist Du in guter Gesellschaft“, dachte ich und seufzte.

Denn gerade jetzt wo ich Mutter bin – Single Mama – und einem kleinen Menschen ein stabiles, gesundes Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen mit auf den Weg geben möchte, wird eine eigene Positionierung wichtiger als je zuvor. Die Fragen „Was will ich?“, „Was tut mir gar nicht gut?“ und „Bis wohin kann und will ich Kompromisse machen, um des lieben Friedens willen?“ werden wichtiger denn je. Schließlich haben all meine Entscheidungen heute nicht nur Auswirkungen auf mich, sondern auch auf den kleinen Piranha. Verlässlichkeit und vor allem Aufrichtigkeit sind längst wichtiger als glühende Komplimente und heiße Luft, die schnell abkühlt und einen schalen Dauergeschmack hinterlässt.

Denn die Wahrheit ist, je mehr wir täglich an Ärger und Enttäuschung in uns rein fressen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass alles irgendwann heraus kommt. Muss. Und das ist äußerst unbequem für mich, ungewohnt für mein Umfeld, aber auf lange Sicht durchaus heilsam.

Natürlich laufe ich jetzt nicht wie eine Furie auf High Heels durch die City, aber ich werde ehrlicher, direkter. Und unbequemer. Ich sage immer öfter genau das, was ich denke. Und dabei wird mir selbst zum ersten Mal bewusst, wo meine Grenzen liegen: Wenn jemand versucht, mich auszunutzen und meine momentane Schwäche zu seinem eigenen Vorteil nutzen will. Wenn Interesse oberflächlich, sporadisch, zweckgebunden ist oder in erster Linie dazu dient, das eigene Ego zu bedienen.  Aber vor allem: ich spüre mich. Das ist neu, aufregend, unbequem. Ich will, dass alles wird wie früher  – nur besser.

Denn nur wenn ich selbst mir meiner Werte und Wünsche bewusst bin, kann ich dem Piranha das auch vermitteln und ihn dabei unterstützen, seine eigenen zu finden.

Und da ich selbst natürlich alles andere als unfehlbar bin, muss ich selbst auch lernen, mit Kritik besser umzugehen. Schwächen zuzulassen und Gefühle zu akzeptieren.

Eure Single City Mama