Mama grenzenlos?

So, jetzt ist es amtlich – mein iPhone ist schlauer als ich. Es sagt mir rechtzeitig, wenn der Akku leer ist und wenn ich das Kabel nicht dabei habe, zeigt es mir ne Nase. Zapp – und aus. Kann ich mir eigentlich eine Scheibe von abschneiden. A.I. reversed? Das Thema kommt eindeutig auf die Agenda für eine mögliche Spielberg-Adaption…

Aber der Reihe nach… Gestern war ein per se wirklich schöner Tag, an dem ich doch an meine Grenzen gestoßen bin. Gefahr erkannt – Lektion gelernt. Oder nicht?

Low Battery Illustration

Akkustand niedrig… (Bild: Fotolia)

Der kleine Piranha kam um 7.15 morgens an mein Bett gewatschelt und forderte den morgendlichen Milchausschank. Danach gewährte er mir noch eine Stunde Ruhe, während er sein Hab und Gut bespielte und ich bäuchlings auf Kissen und Decken in Gedanken den Tag durchging. Und der hatte es in sich.

Um 10.30 hatten wir einpaar liebe Mama-Freundinnen zum ausgiebigen Sonntagsbrunch eingeladen, was toll war. Die Kiddies spielten und wir hatten ordentlich Zeit zum quatschen über Kinder, Männer, Jobs – die wirklich wichtigen Themen, Ihr merkt es schon. Bedeutete natürlich auch Vorbereitung, Wohnung sauber machen, Essen und Getränke anrichten, Kinder einfangen, nachdem die Tante Hu in ihrer Wohnung eingeschlossen hatten…

Um 14.30 gingen die letzten Gäste und der kleine Piranha war überreif für den Mittagsschlaf. Wir legten uns beide kurz hin, aber ich fand keine Ruhe und war in Gedanken schon bei der Nachmittags-Logistik. Um 15.30 wollten wir eigentlich seinen kürzlich verzogenen Kita-Buddy Timmi besuchen, worauf wir uns wirklich freuten. Weil es zeitlich schon knapp war, verschob ich das Treffen etwas nach hinten, der Piranha machte sein Nickerchen während ich aufräumte und um 16.30 waren wir im 40 Km entfernten Ahrensburg zum Kaffee aufgelaufen.

Es war ein richtig netter Nachmittag, wir beguckten das neue Haus, aßen Kuchen, tranken Kaffee und quatschten. Aber als ich um 19.00 bei meinem Vater (Baba-Opa) auf der Matte stand um mit Eddie eine Runde Gassi zu gehen, merkte ich, wie meine Kräfte schwanden. Wir wurde schwindelig, mein Kreislauf sackte ab und mein Herz fing an zu rasen. Mein Körper rebellierte. Eine Panikattacke? Mir war mulmig, aber ich konnte es verorten – und entsprechend reagieren. Es war einfach zuviel gewesen.

Ich legte mich erstmal einpaar Minuten auf die Couch und atmete tief durch. Dann fuhr Baba-Opa uns nach Hause und ich ging vergleichsweise früh ins Bett mit der Erkenntnis, dass ich auf meine Grenzen achten muss. Die Tage nicht zu voll packen, Ruhepausen einplanen – Selbstfürsorge par excellence.

„Hab ich Dir doch gesagt“ seufzte meine Schwester später beim Kochen. Hat sie. Und meine innere Stimme. Lektion gelernt.

Eure Single City Mama

„Mama geh weg!“ Trotz und Tralala

„Mama, geh weg!“ Als der Piranha mich neulich zum ersten Mal aufforderte, von seiner Seite zu weichen, war ich erstmal perplex. „Hackt’s jetzt?‘ dachte ich und blickte in ein griesgrämiges kleines Gesichtchen, das offensichtlich nicht mit Mamas Plänen konform ging.

walking

Wenn Unabhängigkeit plötzlich groß geschrieben wird… (Bild: Fotolia)

Überhaupt fordert er jetzt immer öfter ein, dass bestimmte Handlungen von bestimmten Personen ausgeführt werden und immer öfter bin das nicht ich. „Tante Hu Pam machen“ bedeutet, dass meiner Schwester das Pampers-Glück zuteil wird und „Baba-Opa Jacke anziehen“ fordert von meinem Vater den Griff zum Annorak. Und häufig quakt er vor allem in Motzphasen auch nach Papa.

Erst war ich ehrlich gesagt etwas irritiert. Schließlich ist Papa aufgrund der Entfernung ein sporadischer Gast, mit dem der kleine Piranha monatlich nur einige Stunden verbringt. Mama hingegen ist omnipräsent und wechselt Pampers, Bodies und Lätzchen im Akkord, wäscht die piranhasche Wäsche, schmiert Brote, kocht Milch und verteilt Schmuseeinheiten, arbeitet als Fahrdienst und robbt als Sherlock Schnuller regelmäßig über den Fußboden.

Inzwischen glaube ich, dass die Personenwahl Teil der natürlichen Trotzphase des Piranhas ist und bleibe tiefenentspannt. Wenn Mama etwas verbietet, könnten Vater, Tante oder Großvater es schließlich erlauben und die Konsequenz so umgangen werden.

Mama gnadenlos ist gleichzeitig Mama-die-von-jeder-Brücke-der-Welt-für-Dich-springen-würde- ich glaube, tief in seinem Herzen weiß der kleine Piranha das ganz genau.

Denn wenn er morgens verschlafen in mein Zimmer gestapft kommt ist sein „Guten Morgen Mama“ von so viel Liebe und Zärtlichkeit erfüllt, dass es mein Herz zum schmelzen bringt. „Mama geh weg“ gilt also nur für 3 Sekunden 😉 Mama geht nirgendwo hin, mein Sohn. Nicht ohne Dich.

Eure Single City Mama

Eine Frage des Wertes

Kaum ein Thema wird in unserer Gesellschaft so tabuisiert wie die berühmte „W“-Frage. Nein, nicht „Was gibt es Morgen zum Mittag, Mama?“, zahndezimiert grinsend und mit klebrigen Händchen gestikulierend gepiepst. Viel philosophischer und definitiv nachhaltiger ist es die Frage: „Was bin ich wert?“

Schon in der frühen Kindheit lernen wir: Über Gehalt spricht man nicht und wer eckig ist, ist unbequem. Doch kann es sich nicht manchmal lohnen, unbequem zu sein? Wo führt ein Übermaß an Demut, einhergehend mit einem schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl, denn eigentlich hin? Vielleicht über Los – aber vermutlich ohne 4000 Euro.

Lichtgestalten und Antiplimente

Ich habe das Gefühl, in jedem Freundeskreis gibt es Menschen, denen wir gern den symbolischen Tritt den in Hintern verpassen würden. Jene Lichtgestalten, die eigentlich eher im Schatten stehen und unter dem Scheffel kleben, als dass sie sich ihrer eigenen (inneren) Größe, Schönheit und Fähigkeiten überhaupt bewusst sind. Meistens sind das unheimlich liebenswerte Menschen, die mangels Konfliktfreudigkeit verboten oft Opfer freundschaftlich-kollegial getarnter, manipulativer Machenschaften werden „Könntest Du nicht…?“. „Du machst ja immer…“ . „Toll, dass Du so nett bist“ – letzteres ist ein Satz, den ich in meiner Jugend und Studienzeit selbst sehr oft gehört habe, und mich immer tierisch freute… bis mir irgendwann bewusst wurde, dass die leicht spöttische Intonation der Frage andeutete, dass es sich hier um vieles handelte, aber nicht um ein Kompliment – ein Antipliment? Verdammt, das waren doch meine Freunde, die das sagten.

1044905_10153003811495437_576232576_n

Trinkgeld im Sommerschlussverkauf

Als ich ein mal mit meiner Mutter – der mit Abstand intelligentesten, toughsten und souveränsten Frau, die ich je erlebt habe – gesprochen habe und ihr sagte, dass mich diese Thematik belastete (vor allem, da ich damals nicht die geringste Ahnung hatte, wie ich es anders machen könnte), schaute sie mich entgeistert an und riet mir, zu bleiben wie ich bin. Die Menschen mögen nette Menschen und wollen keine Miesepeter, argumentierte sie. Doch was mich damals schon piekste und einen gewissen Trotz hervorrief, war die Tatsache, dass es überhaupt darum ging, was die Menschen vermeintlich „wollen“. Mainstream calling?!? Und doch: die Argumentation meiner Mutter spiegelte in vielerlei Hinsicht ihre eigene Erziehung und die weiter Teile der Gesellschaft wider. Das Dilemma: Wer soll unseren Wert eigentlich erkennen und schätzen, wenn nicht wir selbst? Der Logik nach wäre das doch wie Trinkgeld im Sommerschlussverkauf… Eigentlich ziemlich „beschappert“, wie meine Mutter immer gern sagte.

X versus Y

Es wäre schlimm, an dieser Stelle ein klassisches Gender-Klischee zu bedienen und meiner völlig subjektiven „Küch. Psych“-Erfahrung nach, sind es mindestens genauso oft Männer, die sich in selbstunsicheren Denk- und Verhaltensmustern befinden, wie Frauen.

Dennoch: Gesamtgesellschaftlich betrachtet werden wir Frauen – vieler öffentlicher Debatten zum Trotz – in den meisten Branchen immer noch schlechter bezahlt. Die Erwartungen in punkto Empathie, Fürsorge und Bescheidenheit scheinen hingegen leider allzu oft wesentlich höher zu sein, ganz zu schweigen von der Akrobatik (Kerze ohne Warm-Up), die wir im täglichen Spagat zwischen Kind und Karriere an den Tag legen müssen – zwei sich überschneidende Kreisen, in deren überschaubarer Schnittmenge wir uns im besten Falle irgendwo selbst finden. Fällt es uns schwerer, Grenzen zu setzen?

Und wie viele Menschen scheinen in unglücklichen Partnerschaften regelrecht zu verharren, mit Menschen, die eigentlich gar nicht zu ihnen passen, weil der demütige Teil ihres (Unter-)bewusstseins sagt: Der/die ist, was ich verdiene, denn er/sie spiegelt meinen Wert.

Von Posern und Idolen

Natürlich gibt es sie überall: Vermeintlich skrupellose Arschlöcher, die zwar dem trügerischen Schein nach das dickste Bankkonto, die steilste Karriere und den „Creme de la Norm“-Partner an ihrer Seite wissen , aber gefühlt ziemlich egomanische und unbequeme Zeitgenossen sind.

Und doch gibt es auch immer Menschen in unserem Umfeld, die wir schätzen und bewundern, weil sie Ecken und Kanten haben und ihren Wert – und damit gleichzeitig ihre Grenzen – souverän und respektvoll argumentieren und verteidigen können.Menschen, die wir mögen und schätzen und uns neidlos denken: Davon hätte ich gerne eine Scheibe für mich.

Ein Wert-Radar für mein Kind

Ehrlich gesagt wünsche ich mir genau das für den kleinen Piranha: Ein liebes, mitfühlendes Herz, einen feinen Sinn für Humor und gleichzeitig die innere Stärke, die es braucht, im Zweifel auch mal die Flossen eckig zu machen, Grenzen zu setzen und gegen den Strom zu schwimmen. Dass er sich seines eigenen Wertes bewusst und ihn verteidigt – sei es bei der Wahl der passenden Piranharin oder einer Gehaltsverhandlung im Job.

Liebe Grüße,

Eure Single City Mama