Liebste Mamas,
dieses Bild habe ich schon einmal gepostet und Facebook zeigt es mir alle Jahre wieder als Erinnerung an.
Da saß ich, hochschwanger, wenige Tage vor der Geburt des kleinen Piranhas in unserem Starbucks und war aufgeregt. Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich hatte bis auf wenige Babysitter-Jobs in meiner Teenie-Zeit Nullkommanull Erfahrung mit Kindern geschweige denn Säuglingen, hatte noch keine Windel gewechselt oder eine Milch warm gemacht. Das Mobiliar des Piranhas war aufgebaut, die ersten Strampler hingen auf der Heizung und ich wartete…
Meine Schwester, Tante Hu in spe, war eine Woche vorher aus ihrer Referendariatsstation in Dublin zurück gekehrt, um im Falle einer frühzeitigen Geburt des kleinen Mannes anwesend zu sein. Wir hatten besprochen, dass sie mich in den Kreissaal begleiten würde.
Der Kontakt zum Vater des Piranhas war zu diesem Zeitpunkt weitestgehend zum Erliegen gekommen (das hat sich mittlerweile geändert, hier ist alles gut), so dass ich das Abenteuer Geburt allein unternehmen würde.
Während sich der kleine Mensch in meinem Bauch startklar für sein Leben machte, erkundigte sich auch Baba-Opa, bei dem ich vorübergehend wieder wohnte, täglich nach seinem Enkel, den er zärtlich-abstrakt als „Nasciturus“ bezeichnete. „Wie geht es dem Nasciturus?“ fragte er mich allmorgendlich beim gemeinsamen Frühstück, gefolgt von Baba-Opa-Style-Komplimenten wie „Kind, Du wirst immer dicker!“.
Mir ging es blendend. Keine Frage, ich war eine Hormonbombe, watschelte durch das hochsommerliche Hamburg (oft am Arm von Tante Hu) und fragte mich, wann das Baby sich ankündigen würde. Er ließ sich Zeit. Der 28. Mai – und damit der Geburtstermin -verstrich, und kein Piranha war in Sicht. Im Ultraschall sah man nur noch Fragmente des Kindes, aber die zweitägigen Kontrolluntersuchungen bestätigten: Dem Herrn ging es blendend in seinem Loft.
Da ich im letzten Trimester eine leichte Schwangerschaftsdiabetes entwickelt hatte, die zum Glück nicht weiter behandlungsbedürftig war, und der Piranha bereits eine stattliche Größe erreicht hatte (man schätzte ihn auf 3700 Gramm, de facto waren es 4260), beschlossen die Ärzte am 31. Mai, drei Tage nach dem errechneten Geburtstermin, die Geburt sanft einzuleiten. Dem Piranha drohte die Zwangsräumung.
Dazu sollten Tante Hu und ich uns vormittags im Krankenhaus einfinden (auf dem Weg dahin stritten wir uns noch, da die irische Ballade „Fields of Athenry“ von den Dubliners in ihrem Autoradio mich emotional zu sehr aus dem Konzept brachte).
Im UKE wurde ich an den Wehenschreiber angeschlossen und bekam einen „leckeren“ Drink in die Hand gedrückt. Ich war überrascht, da ich irgendwie vermutet hatte, bei diesem Termin würde das weitere Vorgehen besprochen werden. „Sie verlassen dieses Krankenhaus als Mutter“, sagte die Hebamme, die erste, die uns während des Geburtsmarathons begleiten sollte.
Tante Hu und ich gingen nach dem Cocktail nochmal spazieren und trafen dabei auf Jungmamas in spe, bei denen die Geburt zum Teil schon Tage zuvor eingeleitet worden war. Ich war leicht panisch und legte ich mich nachmittags erschöpft nochmal hin. Wenig später ging es los. Die Wehen setzten ein und die Geburt meines Kindes war offiziell – ohne Fanfaren, dafür mit flüssigem Buscopan – „eröffnet“.
Die Hebamme brachte uns in den Kreissaal, der Chef-Anästhesist fand sich ein, nachdem die Assistenzärztin beim Setzen der PDA unsicher geworden war, und der Piranha verabschiedete sich von der Idee, ein Maikäferchen zu werden.
Bis in die frühen Morgenstunden des 1. Juni tat sich de facto nichts und just als die hinzugezogene Oberärztin mir eröffnete, dass aus Zeitgründen nun nebenan der Kaiserschnitt vorbereitet werden würde, akzeptierte der kleine Mann zur Überraschung der Ärztin („Kaiserschnitt ist vom Tisch, er kommt“) die Zwangsräumung und gab sich die Ehre.
Unsere tapfere Hebamme Franzi, die vermutet hatte, bis zum Ende ihrer Schicht um 6.00 wäre der Piranha längst da, überzog und begleitete den kleinen Mann ins Leben. Tante Hu ist übrigens immer noch überzeugt, dass ich mich aufgrund der kontinuierlich gesteigerten PDA-Dosis, durch die Geburt gechillt habe.
Um Punkt 6.30 erblickte mein Baby kerngesund das Licht der Welt und machte mich zur Mama. Als er gierig zur Speisung schritt, gab ihm die Kinderkrankenschwester auf der Neugeborenenstation den Titel „Piranha“, den er bis heute trägt und verteidigt.
Unser gemeinsamer Weg begann – und jeder einzelne Tag war seitdem ein wundervolles Abenteuer.
Eure dankbare und verliebte
Single City Mama