Von Sorgen und Dämonen

Lieblingsmamas,

meine Ängste habe ich auf diesem Blog ja schon mehrfach offen thematisiert und weiß deshalb, dass es vielen von Euch ähnlich geht.

Dabei sind es gar nicht so sehr die realen Ängste, sondern vielmehr gedanklich inszenierte Horrorszenarien, die mir das Leben manchmal schwer machen.

Dr. Google und der Sensemann

Während es mir gelingt, alltäglichen Stress und Sorgen oftmals ganz gut zu verdrängen, bin ich seit ich denken kann ein Hypochonder, wenn es um Krankheiten geht. Schon als Kind befürchtete ich bei so manch kleinem Wehwehchen das allerschlimmste, wenn bestimmte Symptome mit den Diagnosen von Dr. Google (an deren Ende immer irgendwo der Sensemann steht) übereinstimmte, plante ich in Gedanken schon meinen Nachlass.

angst

Bild: Janett Menzel, auf ihrem Blog 

Es klingt lustiger als es ist. 2016 gipfelte das Ganze zusammen mit sehr viel Stress in der Herausbildung von Angstzuständen und Panikattacken, die ich nur mit therapeutischer und medikamentöser Unterstützung in den Griff bekam. Körperlich war ich kerngesund, aber mein Kopf signalisierte mir bei der kleinsten Kreislaufschwankung, dass ich den nächsten Tag nicht erleben würde – ein furchtbarer Teufelskreis, den viele, die in irgendeiner Form schon mal mit Angst zu tun hatten, nur zu gut kennen.

Auch in Bezug auf den kleinen Piranha bekomme ich das oft zu spüren. Zwar bin ich alles andere als eine „Helikopter-Mama“ und gewähre dem kleinen Mann viele Freiheiten, aber die Angst ist geblieben. Klagt der kleine Piranha zum Beispiel über Bauch oder Rückenschmerzen, denke ich zunächst an das allerschlimmste und statistisch am wenigsten wahrscheinliche, und erst dann an Blähungen oder Wachstumsschmerzen.

Ich versuche meine Gedanken jedoch möglichst vom Piranha abzuschirmen, um meine hypochondrische Paranoia nicht auf den kleinen Mann zu übertragen. Das gelingt mir manchmal besser und manchmal schlechter, siehe Zahnwechsel.

Natürlich hat man nie die absolute Gewissheit, dass einem nie etwas passiert, man nie krank wird, jemanden verliert etc. – aber was nützt das längste, gesündeste Leben, wenn einen die permanente Angst vor Worst Case Szenarien um die ganze Freude bringt? Nicht viel. Und ich bin sehr gewissenhaft, was Vorsorgen angeht.

Apropos Vorsorge

Apropos Vorsorge… Gestern war wieder so ein Härtetest, der mich mit meinen Ängsten konfrontierte. Als ich morgens von der Kita ins Büro fuhr, sah ich auf meinem Handydisplay mehrere verpasste Anrufe meiner Frauenarztpraxis. Ich war im Dezember zur jährlichen Krebsvorsorge gegangen und die Ärztin verabschiedete sich mit den Worten, sich nur zu melden, wenn etwas auffällig sei.

Da war er nun der Anruf, drei Wochen später, aber wie der Rückruf ergab, war es tatsächlich die Ärztin persönlich, die versucht hatte mich zu erreichen.

Ich geriet in Panik. Ein Anruf konnte nur bedeuten, dass etwas auffällig war und das widerrum bedeutete, dass mir nicht viel Zeit blieb.

In Gedanken arbeitete ich meine Bucket List durch. Ich hatte Angst. Fuhr rechts ran und rief sofort zurück. Die Ärztin hatte gerade eine Patientin, ich solle es gleich nochmal probieren, sagte die Sprechstundenhilfe, und so blieben mir ganze 15 Minuten, um mich gedanklich auf meinen Abschied vorzubereiten.

„Das ist vollkommen lächerlich,“ flüsterte der rationale, leise Teil meines Gehirns. „Warte doch erstmal ab, was die Ärztin sagt, bevor Du den Kranz auswählst. Und wenn etwas ist, musst Du auch damit umgehen“. Aber mein Blutdruck stieg und heiße Tränen schossen mir in die Augen.

Schließlich entpuppte es sich als das, was statistisch gesehen auch das wahrscheinlichste war – dem Zytogenetiker, der meinen Abstrich untersucht hatte, war eine kleine Abnormalität aufgefallen. Wahrscheinlich völlig harmlos (oft durch kleine Entzündungen bedingt) und ohnehin noch nicht mit schweren Erkrankungen in Verbindung zu bringen, aber statt in einem Jahr sollte ich in einem halben Jahr wieder zur Vorsorge erscheinen. That’s it. Keine weiteren Untersuchungen, kein Grund zur Panik, kein Todesurteil.

In Relation gesetzt…

Ich ärgerte mich über mich selbst, dass meine Dämonen mich für einen Moment wieder hatten. Es gab doch soviel reelles, worüber man sich aufregen konnte, was Ängste verdiente. Dazu kam ein schlechtes Gewissen – im Freundes und Bekanntenkreis gibt es einige Frauen, die viel souveräner mit ganz anderen Befunden umgehen – und ich hyperventiliere wegen einer Vorsichtsmaßnahme.

Schließlich beschloss ich, mit mir selbst etwas nachsichtiger zu sein und eine beobachtende Rolle einzunehmen. Wovor hatte ich Angst? Was wollte ich kontrollieren, was ich ohnehin nicht kontrollieren konnte? Und was sollte ich stattdessen kontrollieren?

Ein bisschen stolz war ich aber auch, dass ich heute überhaupt in der Lage bin, so zu denken. Das sah vor einpaar Jahren, als der Notarzt um fünf Uhr morgens in meinem Wohnzimmer stand und mir Valium spritzen wollte, weil ich dachte, ich hätte einen Herzinfarkt, noch ganz, ganz anders aus.

Leben und lernen, Ihr Lieben.

In diesem Sinne, bleibt gesund und genießt das Leben – ohne Angst,

Eure Single City Mama

Die Vertrauensfrage

Gestern hatte ich meine zweite Stunde Craneo Sacral-Therapie. Was ein bisschen nach fern-östlicher Müslisorte klingt, ist eine Art Physiotherapie, bei der der Therapeut die Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit erspürt und mit sanftem Händedruck lenkt und beeinflusst. Dadurch soll sich eine tiefe Entspannung einstellen, die Energie kann fließen und man schwebt direkt aus dem Behandlungszimmer.

Spa still life

Achtsamkeit fördert Vertrauen… (Bild: powerstock/fotolia)

Dr. Rajjid hatte mir diese Therapie verschrieben im Rahmen der Behandlung meiner Ängste. „Musste halt fest dran glauben“, war der Kommentar einiger Skeptiker und auch ich muss ehrlich gestehen, dass ich allem, was nicht knallharte Schulmedizin bedeutet und von Menschen in weißer Kleidung und gequältem Lächeln praktiziert wird, noch etwas zwiespältig gegenüber stehe.

Dabei kenne ich viele, die auf Reiki, Qui-Gong & Co schwören, Globuli nehmen und sogar bereit sind, eine Menge Geld in die Hand zu nehmen, um mit alternativen Heil- und Entspannungsmethoden Körper und Seele wieder auf die Sprünge zu helfen. Aber hatte ich diese nicht bis vor kurzem noch milde belächelt?

Als der kleine Piranha noch ein Säugling war, war ich mit ihm bei einer Osteopathin, weil er unter 3-Monats-Koliken litt. Nach ein paar Stunden, in denen die Therapeutin die Hände unter seinen Kopf gehalten hatte und mein schreiendes Bündel im Fliegergriff durch das Behandlungszimmer trug, sich aber objektiv keinerlei Besserung einstellte und alles, was nachweislich zog, meine EC-Karte war, brach ich die Behandlung frustriert ab. Ich glaubte nicht dran.

Andreas, mein Physiotherapeut, der mir noch am Emfangstresen das „Du“ anbot, nahm sich hingegen mehr Zeit, mir die Dynamik und Wirkungsweise seiner Tätigkeit zu erläutern, so dass ich mit einem besseren Gefühl – mehr Vertrauen – das Abenteuer Heilung begann.

Apropos Vertrauen… Gerade bei einer Angststörung ist es genau dieses „Urvertrauen“, das am stärksten betroffen ist. In einer Panikattacke und auch drum herum verlieren wir das Vertrauen in unseren Körper. Jedes Zippeln, Zucken und Knacksen nehmen wir als potenziell lebensbedrohlich oder zumindest als Ausdruck einer schweren Erkrankung war. Das Nervensystem ist deshalb permanent angespannt und kommt nicht zur Ruhe. Auch das Vertrauen in die Ärzte ist beschränkt. „Was, wenn ich schon als Psycho abgestempelt bin und man mich gar nicht mehr richtig untersucht?“. „Was, wenn es doch etwas organisches ist?“ Ihr ahnt das Dilemma: Angst produziert Angst und was folgt, sind die Symptome. Ein Gedankenkarrusell mit verheerenden Auswirkungen für unsere Seele beginnt und wir selbst schmeißen die Münzen immer wieder rein.

Doch wie kann man die Ängste heilen, die Seele zur Ruhe bringen? Therapeuten sprechen von Achtsamkeit und das ist etwas, das unser ganzes Leben betrifft. Achtsam zu sein, bedeutet sich Ruhe zu gönnen, inne zu halten und alles, was wir tun, aufmerksam und mit Bedacht zu tun. Achtsam ist das Gegenteil von „zwischendurch“, „automatisiert“ und „schnell“. Es fordert die konstante Auseinandersetzung mit unseren Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen.

Heute Morgen habe ich in einem Café auf dem Weg zum Büro gefrühstückt. Ich saß in der Sonne, trank einen Detox-Tee (fühlte mich dabei zugegebener Maßen ein bisschen wie ein Öko mit Ausgang aus dem Reiki-Camp) und freute mich über den Prozess der Heilung, der begonnen hat.

Dieser Prozess ist alles andere als schnell. Noch immer habe ich Panikattacken, noch immer fehlt mir häufig das Vertrauen in meinen Körper. In meinen starken, gesunden Körper, der mich seit 32 Jahren durch die Welt trägt und einem anderen kleinen Menschen bereits das Leben geschenkt hat.

Aber ich bin auf dem Weg: Mit Hilfe der Schulmedizin, mit psychotherapeutischer Anleitung und fern-östlich inspirierter Körpertherapie. Aber vor allem mit einer Menge Vertrauen, die ich mir selbst geben muss.

Eure Single City Mama