Das leere Haus und der Schmetterlings-Friedhof

Lieblingsmamas,

es ist vollbracht.

Nach einem großen Kraftaufwand ist unser übergeräumiges Elternhaus entrümpelt und bald, nach der obligatorischen Renovierung, ist es bereit für den Einzug der neuen Mieter – einer jungen Familie mit drei kleinen „Piranhas“. Die letzten Tage hatten es nochmal richtig in sich. Es galt, unsere Zimmer auszusortieren und dabei relativ emotionslos zu entscheiden, was mit muss bzw. darf. Struktur reinbringen. Meine ganz große Stärke. Nicht!

Das leere Haus. (Bilder: Single City Mama privat)

In meinem Jugendzimmer türmte sich Teenie-Kram – von angebrochenen Oilily und Chippie-„Düften“, über Liebesbriefe bis hin zu einem Riesen-Foto von W., meiner ersten ganz, ganz großen und ebenso einseitigen Liebe. Obwohl – auch den Skilehrer H. habe ich sehr geliebt in seinem feuerroten Skianzug. Damals, mit 12. Nunja. Und meine Klassenkameraden C. und R., die aber alle Mädels ziemlich gut fanden.

Nagut. W., also der vierte Mann in meinem Leben, trat durch einen Sportverein in mein Herz (er war der Trainer, damals 22, und zum Glück, ebenso wie H. (damals 31) nicht so pervers, meine brennenden Gefühle zu erwidern!). Meine Hormone tanzten Samba.

Sidenote: Warum kann man eigentlich mit 14 wildfremde Männer sooo sehr und leidenschaftlich „lieben“ und 20 Jahre später gleicht der Bauch einem Schmetterlings-Friedhof, man ist vorsichtig und überängstlich bezüglich jedweger Gefühlsregung/Risikos? Nennen wir es „bindungs-skeptisch“.

Aber zurück zu W… Da in der Clique jeder von meiner Liebe wusste (und mich damit aufzog) gab es zum 14. Geburtstag ein großes Foto von W., selbstbewusst grinsend, im Ballraum, das meine Freundin Philine (Patentante des kleinen Piranhas) geschossen hatte. Natürlich mit der Ankündigung, dass es ein Geburtstagsgeschenk für mich sei.

Leider ist W’s Konterfei (mittlerweile wohnt er mit seiner Familie nur wenige Straßen entfernt und übt auf mich in etwa die Anziehung eines abgestandenen Hustensaftes aus) letzte Woche der Vor-Entrümpelung unserer Handwerker zum Opfer gefallen. After all this time. Shocker!

Viele der alten (also tatsächlich alt und nicht nur abgerockten) Möbel und Kleiderschränke hatte ich noch über eBay Kleinanzeigen verschenkt – und das allermeiste wurde zum Glück auch abgeholt. Unter den Abnehmern waren einige sehr nette Leute, die sich aufrichtig freuten – ein schönes Gefühl, nicht alle Habseligkeiten in die Tonne kloppen zu müssen.

Vorgestern Abend ging ich das Schlafzimmer meiner Mutter durch. Was eigentlich emotionaler sein sollte und ich lange vor mir her geschoben hatte, erledigte ich relativ routiniert und abgestumpft: Ich verstaute die meiste Kleidung in Beuteln für eine wohltätige Organisation und sortierte Taschen und Schmuck. Das allermeiste wird gespendet, was absolut im Sinne meiner Mutter wäre. Ich beschloss, ihr dafür einen riesengroßen Blumenstrauss zu bringen. Der kleine Piranha ergatterte noch ein bisschen Kram und Plüschtiere und nach etwa fünf Stunden waren wir fertig.

Kurz zögerte ich bei lang gehüteten Erinnerungen wie etwa unserer Milchzähne und Wunschzettel – aber ganz ehrlich? Wo soll das alles hin? Ich dachte an Aufräum-Queen Marie Condo, die gute Seele. Sparkte mein Milchzahn „Joy“? Nope. Negativ. Weg damit.

Das Fazit der Mammut-Entrümpelung: Ich werde mich nie wieder wundern, wenn mein Konto im Dispo ist. Und man muss viel öfter ausmisten. Materiell. Emotional. Ich glaube, ich muss mir die Tage noch mal Marie Condo bei einer Flasche Vino zu Gemüte führen.

Ich bin sehr froh, dass jetzt wieder ein bisschen Ruhe einkehrt. Die letzten Tage war ich so angespannt, dass auch der kleine Piranha Wind davon bekam – und selbst bockte und trotzte. Er rollte Klopapier-Rollen ab und beschimpfte mich unter anderem charmant als „drei Tonnen Müll“. Das Ganze gipfelte darin, dass er zusammen mit seinem Freund Talis auf dem Spielplatz Tauben mit Stöcken piesakte und Eddie, unseren Beagle, heilos mit seinem Trockenfutter überfütterte. Ted Bundy in the making?

Ich schimpfte laut, wütend und ziemlich verzweifelt mit den Jungs – warum sie Tiere quälen würden, und dass es überhaupt nicht lustig sei und der Piranha gleich ins Bett müsse und sämtliche Fernseh-Freuden bis auf Weiteres gestrichen würden. Abends schlief der Piranha in meinem Arm ein.

Die nächsten zwei Wochen werden wir es alles etwas entspannter angehen. Der kleine Piranha wird am Samstag zur Seepferdchen-Prüfung antreten, aber es sieht leider so aus, als müsse er noch einen Kurs dranhängen. Nicht schlimm – das Ergebnis soll ja auch halten, nämlich dass der Piranha sich sicher und ohne Angst (letztere ist für ihn ohnehin ein Fremdwort) im Wasser bewegt.

Letzten Samstag, als die ersten Kurskinder in der vorletzten Stunde bereits ihr Abzeichen erhielten und nur der Piranha und sein Freund Louis noch nicht dran waren, weinte er schon bitterlich. Ich überlegte, ihm die vermeintliche „Niederlage“ zu ersparen und die nächste Stunde einfach ausfallen zu lassen, aber Louis‘ Mama argumentierte, dass ja auch das – sollte es so sein – zum größer werden dazu gehört.

So sei es. Ich halte Euch auf dem Laufenden und wünsche Euch was, Ihr Lieben. Genießt den schmuddeligen Herbst!

Eure Single City Mama

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